PRAXISTIPPS – Entscheidungen zu Umkleidezeiten

In regelmäßigen Abständen informieren Fachanwälte für Arbeitsrecht exklusiv für verdi guw-nrw über aktuelle Rechtsprechungen und Themen!

 

   Von Christoph Niechoj

LNS Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht Bochum

(Kontaktdaten unten)

Entscheidungen zu Umkleidezeiten

BAG 25.04.2018 – 5 AZR 245/17

LAG Köln 2506.2021 – 9 TaBV 7/21

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mittlerweile ist es gerichtlich entschieden, dass die Umkleidezeit am Tag sowohl im Hinblick auf die Vergütung als auch für die Mitbestimmung des Betriebsrates Arbeitszeit darstellt. Da die Arbeitgeber die Mitarbeiter verpflichten, eine Dienstkleidung zu tragen, müssen die Mitarbeiter bzw. die Betriebsräte ihre Rechte wahrnehmen. Die gerichtliche Entscheidungen sind jeweils für den Innendienst, d.h. Cash-Bereich getroffen worden. Bereits dort besteht eine besonders auffällige Dienstkleidung. Da die Dienstkleidungen für den Fahrdienst/CIT-Bereich noch auffälliger sind, gelten diese Entscheidung erst recht für diesen.

Wörtlich führte das BAG in seiner Entscheidung vom 25.04.2018 – 5 AZR 245/17 (Rn. 26 ff.) zu der auffälligen Dienstkleidung im Innendienst aus:

„Die bei der Beklagten [Geld und Wert – Unternehmen] beschäftigten Arbeitnehmer sind unstreitig zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet. Nach Feststellung des LAG ist die Klägerin [Mitarbeiterin] durch den Schriftzug auf dem Poloshirt in der Öffentlichkeit als Mitarbeiterin der Beklagten eindeutig zu erkennen. Die hierauf gestützte Annahme des Berufungsgerichts, bei dem zu tragenden Poloshirt handele es sich um besonders auffällige Dienstkleidung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.“

Der Betriebsrat darf in Ausübung seiner Mitbestimmung bei der Aufstellung von Dienst-/Schichtplänen, also bei dem täglichen Beginn und Ende der Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, ebenfalls die Umkleidezeiten mitberücksichtigen.

Das LAG Köln (LAG Köln v. 25.06.2021, 9 TaBV 7/21) hat den Spruch der Einigungsstelle zur Aufstellung von Dienstplänen rechtskräftig bestätigt, in dem es wörtlich heißt:

„Die nachfolgend geregelten Arbeitszeiten beginnen mit dem Anliegen der Dienstkleidung im Betrieb und enden, wenn die Dienstkleidung im Betrieb abgelegt wird. Die Arbeitnehmer, die sich entscheiden, sich nicht im Betrieb umzuziehen, beginnt und endet die Arbeitszeit mit Aufnahme bzw. Beendigung der Tätigkeit.“

Die Betriebsparteien verstoßen damit nicht gegen tarifvertragliche Regelungen. Eine Regelungssperre gemäß § 87 Abs. 1, Einleitungssatz BetrVG i.V.m. § 77 Abs. 3 BetrVG liegt nicht vor. Außerdem sieht § 4 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland (MTV) eine Öffnungsklausel für die Betriebsparteien zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung vor.

Diese Regelung im Spruch der Einigungsstelle gilt unabhängig davon, ob Umkleidemöglichkeiten bei dem Arbeitgeber besteht. Sofern er weiterhin an der Pflicht zum Tragen einer Dienstkleidung festhält, muss er gegebenenfalls welche schaffen (BAG v. 17.01.2012 – 1 ABR 45/10).

Praxistyp:

Mitarbeiter sollten für die nächsten 6 – 12 Wochen eine Zeitaufnahme führen, wie lange sie jeweils für das An- und Ablegen ihrer Kleidung benötigen. Diese Zeiten sind dann als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzumelden, sofern diese Zeiten nicht bereits vergütet werden.

Den Betriebsräten ist anzuraten, ihre bestehenden Regelungen zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit zu überprüfen, damit auch hier die Umkleidezeiten berücksichtigt werden. Ggfs. ist mit dem Arbeitgeber in Verhandlungen zu treten.

RA + FAAR Christoph Niechoj LNS Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht PartG Massenbergstr. 15-17 44787 Bochum    Tel: 0234/91388-0    Fax: 0234/91388-10     Mobil: 01735414620